Die Themen Nachfolgeregelung und Generationenwechsel spielen insbesondere in Familienunternehmen eine höchst bedeutende Rolle. Um Einblicke zu erhalten, wie der Generationenwechsel in Unternehmen gelingen kann, traf Professional Jeweller Germany Nick Binder zum Interview, um über seine Erfahrungen diesbezüglich zu sprechen und seine Vision für die Binder Gruppe kennenzulernen.
Professional Jeweller Germany: „Wie lange hat der Prozess der Geschäftsübergabe von Deinem Vater zu Dir gedauert? Habt Ihr alles intern vorbereitet und geregelt oder hattet Ihr auch Unterstützung von außen, zum Beispiel in Form von Consulting?“
Nick Binder: „Den Prozess der Nachfolgeregelung haben wir als Familie über einen Zeitraum von etwa zwei Jahren erarbeitet. Der Impuls kam von meinem Vater, da er das Thema Nachfolge rechtzeitig und in Ruhe geregelt haben wollte. Das Thema konnten wir daher mit ausreichend Vorlauf und Bedacht angehen. Natürlich gab es interne Vorbereitungen, aber auch Unterstützung in Form eines externen, auf das Thema Nachfolgeregelung spezialisierten Beraters. Die Consultingagentur, mit der wir zusammenarbeiteten, verfügt über umfangreiche Erfahrung in der Begleitung von Generationenwechseln in Familienunternehmen und hat maßgeblich dazu beigetragen, den Prozess strukturiert und zielführend zu gestalten. Wir sind an diesen bewussten Entscheidungsprozess ergebnisoffen herangegangen und haben uns im Laufe dessen für einen gemeinsamen Weg entschieden, den wir nun konsequent verfolgen.“
PJG: „War es immer klar, dass ein Familienmitglied das Unternehmen weiterführen wird, oder hättet Ihr Euch auch vorstellen können, dass „nur“ externe Geschäftsführer das Unternehmen weiterführen?“
NB: „Es war nicht von Anfang an klar, dass ein Familienmitglied das Unternehmen weiterführen würde. Bei uns steht „Offenheit“ als einer der Unternehmenswerte im Vordergrund, daher war die Entscheidung für die Geschäftsnachfolge auch ein offener Prozess. Ich bin seit sechs Jahren im Familienunternehmen tätig und habe viel Freude an meiner Arbeit gefunden, so dass ich mir damals, als das Thema Nachfolgeregelung auf den Tisch kam, durchaus vorstellen konnte das Unternehmen weiterzuführen. Es ist jedoch erwähnenswert, dass unsere Unternehmen operativ bereits seit einiger Zeit und auch weiterhin von externen Geschäftsführern geleitet werden. Meine Rolle sehe ich eher als die eines aktiven Gesellschafters.“
PJG: „Wie sind die Geschäftsfelder zwischen Dir und Stefan Schiffer aufgeteilt? Konntest Du Dir aussuchen, welche Schwerpunkte Du setzen willst?“
NB: „Die Aufteilung der Geschäftsfelder zwischen Stefan und mir ist wie folgt festgelegt: Stefan leitet die operativen Geschäftsbereiche von FBM und egf. Ich selbst engagiere mich bei verschiedenen Fokusthemen, um Impulse zu setzen und Projekte voranzutreiben. Dazu gehören die Bereiche Unternehmenskultur, Marketing und Markenführung, Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Bei allen Themen pflegen Stefan und ich einen regen Austausch und arbeiten eng zusammen.“
PJ: „Wie würdest Du Deinen Führungsstil und Deine Rolle im Unternehmen charakterisieren?”
NB: „Mein Führungsstil ist geprägt von Zugänglichkeit und Offenheit, mit dem Ziel, eine dynamische und zeitgemäße Atmosphäre zu schaffen. Ich glaube daran, dass es wichtig ist eine Umgebung zu gestalten in der sich Teammitglieder wohlfühlen und offen miteinander kommunizieren können. Durch meine Nähe zum Team und meine Offenheit für Ideen und Feedback möchte ich eine Kultur der Zusammenarbeit und des gegenseitigen Respekts etablieren. Gleichzeitig strebe ich danach mit meiner Energie und meinem Enthusiasmus für neue Herausforderungen ein Vorbild zu sein und das Unternehmen voranzubringen.“
PJ: „Wird Deine Schwester Kim-Kelly eventuell auch noch ins Familienunternehmen einsteigen oder ist in dieser Richtung momentan nichts angedacht?“
NB: „Als Gesellschafterin ist meine Schwester, ebenso wie ich, natürlich über die wichtigen Angelegenheiten informiert. Zurzeit lebt sie in München und strebt eine berufliche Karriere in der Start-Up-Szene an. Es besteht jedoch die Möglichkeit, dass sie zu einem späteren Zeitpunkt operativ in das Unternehmen einsteigt. Konkret ist hierzu jedoch noch nichts in Planung.“
PJ: „Welche Herausforderungen siehst Du generell bei einem Generationenwechsel in einem Unternehmen?“
NB: „Als eine der größten Herausforderungen beim Generationenwechsel in einem Familienunternehmen sehe ich den Wissenstransfer. Deshalb bin ich dankbar, dass mein Vater, trotz aller Freiheiten, weiterhin präsent ist und sowohl Stefan als auch mich bei den wichtigen Themen unterstützt.“
PJ: „Was ist Deine Vision für die Zukunft der Binder Gruppe?“
NB: „Meine Vision für die Zukunft umfasst die tiefgreifende Zusammenarbeit unserer beiden Unternehmen. FBM mit seiner langjährigen Tradition und Expertise im Bereich der Schmuckkettenherstellung sowie egf als Spezialisten für individuelle Trauringe. Wir streben verstärkt gemeinsame Projekte an, damit wir die Synergien beider Unternehmen nutzen, um einzigartige Produkte kreieren und anbieten zu können. Wir werden zukünftig noch weitere Verbindungen zwischen den Unternehmen schaffen, um die Binder Gruppe als einen Innovationsführer in der Schmuckbranche zu positionieren und um unsere teamorientierte Unternehmenskultur zu stärken. Zudem bauen wir aktuell unsere neue Schmuckmarke BINDER weiter auf. Ein wegweisender Schritt für unsere Gruppe und eine ideale Ergänzung unseres Portfolios.“
PJ: „Welche Herausforderungen siehst Du aktuell in der Schmuckbranche und wie begegnet Ihr diesen?“
NB: „Im Jahr 2023 war die Schmuckbranche aufgrund der gesamtpolitischen Situation von erheblicher Unsicherheit geprägt. Dies zeigte sich unter anderem in einer zurückhaltenden Kaufbereitschaft. Um solchen Herausforderungen zu begegnen, ist es meiner Meinung nach wichtig, generell wieder Optimismus und im Speziellen die Freude für schöne Schmuckstücke zu vermitteln.
Der Fachkräftemangel und die Zusammenarbeit unterschiedlicher Generationen stellen weitere Herausforderungen dar. In puncto Fachkräftegewinnung setzen wir auf externe Kommunikation, um potenzielle Bewerber anzusprechen. Wir bemühen uns dabei die Hürden für Bewerbungen bei uns möglichst niedrig zu halten. Ich denke, unsere Unternehmenskultur fördert die persönliche Weiterentwicklung der Mitarbeiter und macht uns zu einem attraktiven Arbeitgeber für potenzielle
Bewerberinnen und Bewerber. Zum anderen bilden wir innerhalb der Gruppe verstärkt aus. Wir bieten in vielen Bereichen kaufmännische und gewerbliche Ausbildungsberufe an und haben auch Angebote für dual Studierende.“
PJ: „Ihr seid viel im Bereich Großkunden tätig. Seit 2023 habt Ihr auch Eure eigene Marke mit BINDER Jewellery. Wie wird die Marke angenommen und was ist für 2024 geplant?“
NB: „Ja, tatsächlich pflegen wir enge Beziehungen zum Großhandel. Gleichzeitig sind wir im Bereich Fertigung von Luxusschmuck für renommierte Marken tätig; ebenfalls ein wichtiges Standbein unseres Unternehmens.
Durch die Kombination von modernsten Techniken und unserem über 111-jährigen Know-how in der Schmuckkettenfertigung haben wir mit der Marke BINDER ein sehr rundes Schmuckkonzept geschaffen. Diese Marke ist mittlerweile vielen Juwelieren bekannt und wir erhalten durchweg positives Feedback. Die klassischen Designs von BINDER ergänzen die Schaufensterauslagen führender Juweliere optimal. Wir freuen uns auf neue Partnerschaften mit Juwelieren im Jahr 2024. Einer unserer Pläne für dieses Jahr ist es zudem, früher als geplant, auch international aktiv zu werden.“
PJ: „Was ist Dein persönlicher Wunsch für 2024?“
NB: „Ich sehe das Jahr 2024 als ein Jahr mit vielen Herausforderungen, nicht nur hier in Deutschland. Angesichts der zahlreichen Krisen in der Welt können wir nur hoffen, dass sich die Vernunft durchsetzt und wir im Laufe des Jahres die Talsohle durchschreiten.
Gleichzeitig haben wir aktuell viele spannende Projekte wie zum Beispiel unseren Neubau bei egf oder den Aufbau der Marke BINDER. Hier freue ich mich auf spannende Entwicklungen mit dem Team und natürlich auch auf die anstehenden Events in diesem Jahr.“